
Zu den Helden meiner Kindheit zählten neben He-Man, Superman, Batman, G.I. Joe oder den Transformers auch die "Teenage Mutant Ninja Turtles". Die Story ist folgende: Vier Schildkröten kommen in der New Yorker Kanalisation zusammen mit einer Ratte in Kontakt mit einem Mutagen, das sie zu menschenähnlichen Wesen macht. Wie es der Zufall will, gehörte die alte Ratte einst einem Ninja-Meister und hat sich einiges bei ihm abgekuckt. Splinter, wie der Nager heißt, gibt den Schildkröten die Namen Leonardo, Donatello, Raphael und Michelangelo und zieht sie groß. Dabei gibt er sein Wissen über die geheimen Künste der Ninja an sie weiter. Zu stattlichen Kriegern herangereift nehmen sie den Kampf gegen den "Shredder" genannten Anführer einer Ninja-Kaste auf, die New York in Angst und Schrecken versetzt.
Es gibt zahlreiche Manifestationen der Geschichte: Da wäre zum einen der Cartoon, der wohl den meisten ein Begriff sein dürfte. Hier wurde das ursprüngliche, ernstere Konzept allerdings stark verwässert, um eine kindertaugliche Samstagmorgen-Unterhaltung daraus zu machen. Weniger bekannt dürften die ersten Comics sein, in denen durchaus grimmig und blutrünstig geschnetzelt wurde, was das Katana hergibt. Die bekannten drei Live-Action-Kinofilme sind gewissermaßen eine Mischung aus den ernsthaften Wurzeln der Turtles und dem Witz des erfolgreichen Cartoons. Zwischenzeitlich gab es noch eine trashige Live-Action-TV-Serie sowie eine Neuauflage des Cartoons, die ich aber bisher noch nicht gesehen habe.
Der am 12. April angelaufene neue Kinofilm nimmt zwar Bezug auf seine Leinwand-Vorgänger, ist aber komplett am Computer entstanden. Anstatt die Geschichte von neuem zu erzählen, nimmt man die Geschehnisse der vorangegangenen Teile als gegeben hin und führt die Abenteuer der Ninja-Kröten fort.
Seit dem letzten Einsatz der vier Panzerträger hat sich einiges verändert: Shredder ist tot, Leonardo fristet sein Dasein alleine im Dschungel von Lateinamerika, um ein besserer Anführer zu werden, der technisch versierte Donatello betreibt einen telefonischen Computer-Notdienst, Michelangelo tourt mit riesigem Plüsch-Schildkrötenkopf und falschem Reißverschluss auf der Brust von einem Kindergeburtstag zum nächsten. Einzig Raphael bekämpft als gepanzerter "Nightwatcher" weiterhin das Verbrechen.
Als April O'Neil (im Original gesprochen von "Buffy" Sarah-Michelle Gellar), ehemalige Reporterin und Vertraute der Turtles, auf der Suche nach einer besonderen Statue durch Lateinamerika reist, findet sie Leonardo und bringt ihn schließlich dazu, zu seiner Familie zurückzukehren. Die Wiedervereinigung der Turtles hätte zu keinem besseren Zeitpunkt stattfinden können, da 13 Monster durch die Stadt toben, die der Finanzmogul Winters (im Original gesprochen von "Capt. Picard" Patrick Stewart) zusammen mit den Überbleibseln von Shredders Foot Clan in seine Gewalt bringen will, um ein Tor in eine fremde Dimension zu öffnen. Die Turtles müssen sich zusammenraufen und Meinungsverschiedenheiten überwinden, um Winters aufzuhalten.
Ich muss zugeben, dass ich nicht unbedingt von der Idee angetan war, das Kino-Comeback der Turtles als CGI-Film zu erleben. Wenn schon Kino, dann doch lieber einen Realfilm mit Darstellern in Kostümen. Hat schließlich damals auch funktioniert. Als der erste Trailer erschienen ist, musste ich meine Meinung allerdings komplett ändern. Das Gezeigte machte nämlich durchaus Appetit auf mehr! Und tatsächlich: "TMNT" schafft es, die Reihe genau in dem Stil fortzuführen, die man vom ersten Realfilm her kennt. Die Geschichte ist streckenweise ziemlich düster, ohne den quirrligen Charakter der Protagonisten zu vergessen, die immer wieder lässige Sprüche von sich geben, aber bei Bedarf auch sehr ernst sein können. Man kann sich den Film (anders als die quietschbunte Cartoon-Serie) durchaus auch ansehen, wenn man den Windeln entwachsen ist. Man fiebert als Zuschauer teilweise richtig mit, bekommt aber im Anschluss sofort wieder einen auflockernden Gag serviert. Für Kinder (und machen wir uns nichts vor: das ist die Hauptzielgruppe!) ist es so zwar durchgehend spannend, wird aber niemals "zu aufregend". Technisch ist "TMNT" ein wahrer Augenschmaus: Wunderbare Kamerafahrten, tolle Perspektiven (vor allem bei einer der Schlüsselszenen, einem im Regen stattfindenden Duell), detaillierte Figuren und gelungene Animationen bringen Leben in den Film. Schon nach den ersten paar Minuten hat man quasi vergessen, dass man einen Trickfilm sieht. Zwar gibt es einige Löcher im Drehbuch, aber das hat mir in diesem Fall überhaupt nichts ausgemacht.
Ich hätte mir den Film direkt im Anschluss auch ein zweites Mal ansehen können: Die Laufzeit verging wie im Flug, und ich hatte mehr Spaß mit den Turtles als mit so manch anderem Film, den ich dieses Jahr im Kino gesehen habe. Der einzige Kritikpunkt, den ich habe, ist das Charakterdesign von Splinter, der doch etwas fremdartig anmutet. Die weise Ratte wird übrigens im Original vom kürzlich verstorbenen Mako gesprochen, dessen unnachahmliche Stimme schon den Einführungstext zu "Conan der Barbar" (in dem er auch den kauzigen Zauberer spielte) unvergesslich machte. Überhaupt ist die Besetzung ein Grund, sich die Turtles im Original anzusehen. Dummerweise läuft in den meisten Kinos nur die (auch super umgesetzte) deutsche Version. Logisch. Welches Kind will sich schon einen Film auf englisch ansehen? Allerdings war der Altersdurchschnitt im Kinosaal wie von mir befürchtet doch ziemlich hoch ;) Scheinbar sind die Turtles bei den Kids von heute nicht so sehr gefragt, so dass die inzwischen erwachsenen Fans vergangener Tage in der Überzahl sind.
Ich bin mehr als gespannt, ob die im Film angedeutete Fortsetzung ("Wir werden uns wieder sehen. Und ihr werdet auf viele berühmt-berüchtigte Gesichter eurer Vergangenheit treffen." "Ninja Turtles 2?") zustande kommt. Wünschenswert wär's auf jeden Fall.
Fazit: Gelungene Fortsetzung der Kino-Turtles, die sich kein Fan entgehen lassen sollte. Cowabunga!
Wertung: 4,5 von 5