Freitag, März 02, 2012

John Carter - Zwischen zwei Welten

Vor ziemlich genau 100 Jahren ersann Autor Edgar Rice Burroughs, aus dessen Feder auch die ursprünglichen, fantastisch geprägten Tarzan-Geschichten stammen, die Geschichte um einen amerikanischen Bürgerkriegsveteranen, der sich im Roman »A Princess of Mars« durch mystische Teleportation plötzlich auf dem Planeten Barsoom (Mars) wiederfindet. Dank der geringeren Schwerkraft ist er in der Lage, meterhoch und -weit durch die Luft zu springen sowie ein Vielfaches seines Körpergewichts zu stemmen. Er gerät mitten in einen Krieg zwischen den Völkern des Mars: Den riesenhaften, vierarmigen, grünhäutigen Tharks und den humanoiden, rothäutigen Marsianern. Als Fremder mischt Carter sich in den Konflikt ein und versucht, die Völker zu einen. Nicht ganz ohne eigennützige Hintergedanken, denn die rothäutige Prinzessin Dejah Thoris hat es ihm schwer angetan - dummerweise soll sie aber einen hinterhältigen, machthungrigen Schurken heiraten.

Ein Superheld wird geboren

John Carter ist der Prototyp des Superhelden und wurde in den folgenden Jahren immer wieder als Inspirationsquelle für andere Geschichten genutzt: Ob »Flash Gordon«, »Star Wars« oder »James Camerons Avatar« - sie alle basieren mehr oder weniger auf Motiven aus Burroughs’ Barsoom-Geschichten. Sogar ein gewisser Doktor aus der Serie »Emergency Room« trägt den Namen John Carter als Hommage an Burroughs' Helden. Selbst Strahlemann Superman hätte ohne John Carter kaum das Licht der Comicwelt erblickt, ist der bestrumpfhoste Kryptonier in seiner ursprünglichen Version doch nicht viel mehr als ein unglaublich starker Typ, der meterhoch springen kann. Kein Wunder, dass Kinogänger, die mit den elf Romanvorlagen nicht vertraut sind, beim Anblick der Trailer zunächst etwas verwundert reagieren und meinen, dass »John Carter« ganz dreist bei etlichen Science-Fiction-Filmen abgekupfert hat. Disneys ... nennen wir es »verhaltenes« Marketing des 250 Millionen US-Dollar teuren Spektakels hilft da nicht unbedingt weiter. Doch selbst wenn man um die Zusammenhänge weiß, fragt man sich zwangsläufig, ob sich der Kinobesuch lohnt, da man ja alles in der einen oder anderen Form schon irgendwie gesehen hat.

Tolle Charaktere und Effekte

Was Regisseur Andrew Stanton (»Wall-E«, »Findet Nemo«) in seinem Realfilmdebüt auf die Leinwand zaubert ist ein bildgewaltiges, äußerst unterhaltsames Spektakel mit einer Top-Besetzung und fantastischen Effekten - letzteres sollte man von einem Pixar-Regisseur aber auch erwarten dürfen. Taylor Kitsch, der den John Carter verkörpert, ist deutschen Kinogängern wohl am ehesten als Gambit aus »X-Men Origins: Wolverine« bekannt, hat sich in den USA aber auch durch die Sportler-Serie »Friday Night Lights« einen Namen gemacht. Sein John Carter kommt äußerst sympathisch rüber, angesichts der fremden Welt und ihrer Bewohner immer von einem kindlichen Staunen erfüllt. Lynn Collins (hatte ebenfalls eine Rolle in »Wolverine«) gibt der Figur der Dejah Thoris die nötige Würde einer Prinzessin, langt aber (anders als in der Vorlage) gerne auch mal ordentlich mit dem Schwert zu. Mit der Chemie zwischen den beiden steht und fällt natürlich die ganze Geschichte um den unsterblich verliebten Erdling. Und zum Glück stimmt in dieser Beziehung alles - die Zwei geben ein wunderbares Leinwandpaar ab. Nicht weniger wichtig sind allerdings die übrigen Bewohner des Mars: Fremdartige Kreaturen wie Woola, der zehnbeinige Hybride aus Hund und Kröte, oder die Thoats, achtbeinige Marspferde, bevölkern die karge Wüstenwelt in äußerst gut getrickster Form. Aus dem Computer kommen auch die vierarmigen Tharks, denen man durch Motion- und Face-Capturing allerdings die Persönlichkeit echter Menschen verleiht. Tars Tarkas, mit dem sich Carter im Lauf des Films anfreundet, wird zum Beispiel von Willem Dafoe (»Platoon«, »Spider-Man«) verkörpert. Und obwohl man weiß, dass die Figur letztenendes bloß aus Pixeln besteht, erkennt man in ihr auf Anhieb den vielbeschäftigten Charaktermimen. Die Tharks wirken sogar beinahe noch lebendiger und glaubwürdiger als James Camerons Na’vi aus »Avatar«.
Ein paar Worte zum 3D-Effekt: »John Carter« wurde in 2D gedreht und nachträglich konvertiert. Der Film erreicht dadurch natürlich nicht die Brillanz eines echten 3D-Streifens, doch Tiefeneffekt und Plastizität sind durchaus ordentlich. Beim 3D-Erlebnis kommt es natürlich auch immer darauf an, wie gut die Projektion des Kinos ist. Sprich: Ist das Bild unscharf oder zu dunkel? Meist kommt der Effekt im Heimkino deutlich besser zur Geltung als im Lichtspielhaus.

Der bessere »Star Wars«?

Regisseur Stanton bezeichnet sich selbst als großen Barsoom-Fan: Als Kind verschlang er die Marvel-Comics um John Carter und las auch die zugrunde liegenden Romane. Das merkt man dem Film an allen Ecken und Enden an! Stanton ließ Schweiß und Tränen in das Projekt fließen und hofft, auch weitere Filme um die Figur inszenieren zu können (einen entsprechenden Erfolg an den Kinokassen natürlich vorausgesetzt). Dabei ist die Verfilmung des ersten Romans um John Carter eigentlich ein ziemlich undankbares Projekt, denn Burroughs’ Geschichte ist sehr episodenhaft erzählt und liest sich stellenweise wie ein actionreicher Reisebericht, da Carter von Ort zu Ort pendelt und dabei unverhoffte Abenteuer erlebt. Deshalb vereint das Drehbuch Elemente des ersten und zweiten Romans: Wichtige Figuren wie die Therns, gottähnliche Wesen, tauchen eigentlich erst in der Fortsetzung »Gods of Mars« auf, werden im Film aber schon in der ersten Szene eingeführt. Auch dramatische Komplikationen in Bezug auf Dejah Thoris’ Zwangshochzeit und die Machtspiele der Tharks, die im Buch wichtige Plotpoints waren, werden hier zugunsten des Tempos unter den Tisch gekehrt beziehungsweise radikal vereinfacht. Auch die eine oder andere Effektszene ist dazugedichtet, um für das heutzutage so wichtige Eye Candy zu sorgen. Puristen mögen aufschreien, doch genau diese Umstrukturierungen und Änderungen der Geschichte (man könnte auch »Lucasifizierung« sagen) zugunsten des flüssigen Filmerlebnisses tun »John Carter - Zwischen zwei Welten« unglaublich gut. Der Film hat mehr Seele als sämtliche »Star Wars«-Prequels zusammen. Kurz: Ein Film, den man als Science-Fiction-Fantasy-Fan gesehen haben sollte.

Wertung: 5 von 5